Bryggen im Winter ©VBP Media, VisitBergen.com

Die Kontore

Kontore nannte man die großen Handelsniederlassungen der Hanse im Ausland. Die vier großen Kontore bildeten die Eckpfeiler des hansischen Handels: Nowgorod, London, Brügge und Bergen. An vielen weiteren Standorten gründen die Fernhändler kleinere Niederlassungen, beispielsweise in Lynn und Boston in England, im französischen La Rochelle in Frankreich oder in Kaunas in Litauen.

Stützpunkt in der Ferne

Die Kontore waren die erste Anlaufstelle für niederdeutsche Kaufleute im Ausland und bildeten in einigen Städten einen eigenen Rechtsraum – die örtlichen Gewalten hatten dort keinen Zugriff. Die gewählten Ältermänner, Leiter der Kontore in der Fremde, achteten auf die Einhaltung der Privilegien. Sie mussten gute Beziehungen zu den jeweiligen Herrschern aufrechterhalten, um den deutschen Kaufleuten günstige Handelsbedingungen zu sichern.

Felle

Nowgorod

Der Hof in Nowgorod war die erste gemeinsame Niederlassung der niederdeutschen Kaufleute. Da der Weg nach Russland sehr weit und gefährlich war, blieben die Händler meist ein halbes Jahr dort. Sommer- und Winterfahrer lösten sich ab. Die Regeln für das Zusammenleben der Deutschen im Peterhof waren in der „Schra“ zusammengefasst. Der Hof hatte seinen Namen von der St. Peterskirche, dem einzigen Gebäude aus Stein, das auch als Warenlager und Tresor diente. Die ganze Anlage war mit einem hohen Palisadenzaun gesichert und bestand aus zahlreichen Holzhäusern.

Die Gotländer besaßen mit dem Gotenhof schon sehr früh eine Niederlassung in Nowgorod. Sie nahmen in der Folgezeit auch die Deutschen mit dorthin, bald aber wurden sie von diesen aus dem Geschäft gedrängt. Im Wechsel mit Visby regelte Lübeck fortan die Angelegenheiten im Kontor von Nowgorod. Später übernahm Riga diese Stellung.

Pelze und Wachs, Honig und Holz waren die Hauptausfuhrartikel des Kontors, dafür brachten die niederdeutschen Händler Tuche, Bernstein, Salz, Wein, Silber und vieles andere mehr.

EHM Stoffe

London

1175 stellte der englische König Heinrich II. einigen Kölner Kaufleuten Schutzbriefe aus, die es ihnen erlaubten, in England Weinhandel zu betreiben. Im 13. Jahrhundert konnten auch die Fernhändler aus den Ostseestädten in den Englandhandel mit ihren Waren einsteigen.

Das Versammlungshaus der Hansa Allemanie in London war die „Guildhall“. Hier befanden sich die Geschäfts- und Lagerräume sowie die Wohnstätten der Kaufleute. Seit Beginn des 14. Jahrhunderts wurde das Kontorsgelände „Stalhof “ genannt, weil hier Waren „gestalt“, das heißt mit Gütesiegeln versehen wurden. Die einheimischen Tuchhändler waren für die Hansekaufleute gleichzeitig Geschäftspartner und Konkurrenten. Daher kam es immer wieder zu Konflikten zwischen dem Londoner Stadtrat, einheimischen Tuchhändlern und der Hanse.

Garn

Brügge

Das Kontor in Brügge war von besonders wichtiger Bedeutung. Hier kamen die Kaufleute aus der ganzen damals bekannten Welt zusammen und tauschten Waren und Erfahrungen aus. Man lebte nicht in einem abgeschlossenen Bereich, sondern bei einheimischen Wirten, die gleichzeitig als Makler tätig waren. Erst 1442 erhielten die Deutschen mit dem „Osterlingenhaus“ eine eigene Versammlungsstätte, vorher tagten sie in den Räumen eines Klosters.

Mehrfach boykottierten die Hansekaufleute den Handel mit der flandrischen Stadt Brügge, weil sie ihre Rechte missachtet sahen. Sie zogen sich nach Aardenburg oder Dordrecht in den Niederlanden zurück und betrieben von da aus ihre Geschäfte, bis Brügge klein beigab.

Stockfisch

Bergen

In Bergen, an der Westküste Norwegens, lag das letzte der vier großen Kontore der Hanse. Den Standort des Kontors bezeichnete man aufgrund seiner Lage als „Tyske Bryggen“, „Deutsche Brücke“. Es bestand aus zahlreichen am Kai aufgereihten Holzhäusern, an die sich schmale Höfe anschlossen. Hier lebten und arbeiteten die deutschen Geschäftsleute mit ihren Hilfskräften auf engem Raum. Getrockneter Kabeljau, der sogenannte Stockfisch, wurde ausgeführt, ins Land brachte man vorwiegend Getreide. Die Lübecker Bergenfahrer leiteten das Kontor.

Wenn Lehrjungen zum ersten Mal nach Bergen kamen, wurden sie zunächst kräftig „gehänselt“, das heißt, sie hatten eine oft brutale Aufnahmeprüfung zu bestehen. Zum Beispiel mussten sie in beißendem Rauch laut singen oder Fragen beantworten. Verhinderte das der Husten oder die Atemnot, gab es reichlich Prügel. Die raue Männergesellschaft nannte das „die Bergener Spiele“ und vergnügte sich köstlich dabei.